09.03.2022 | Faktencheck

Den Antikörpern auf der Spur

Die Herstellerfirmen von Covid-Vakzinen betonten seit Beginn der Impfkampagnen, dass eine Durchbruchsinfektion auch bei vollständig Geimpften möglich sei. Auch die Behörden wiesen darauf hin. Die Immunantwort, welch durch Impfung ausgelöst wird, schütz aber vor schwerwiegenden Folgen. 


Eine Apothekerin entnimmt am 3. Mai 2021 in Genf dem Finger einer Frau einen Tropfen Blut, um mit einem schnellen Screening-Test Antikörper gegen das Sars-CoV-2 nachzuweisen. Foto: Keystone-SDA / Salvatore Di Nolfi
Eine Apothekerin entnimmt am 3. Mai 2021 in Genf dem Finger einer Frau einen Tropfen Blut, um mit einem schnellen Screening-Test Antikörper gegen das Sars-CoV-2 nachzuweisen. Foto: Keystone-SDA / Salvatore Di Nolfi
Behauptung

In den sozialen Medien sowie in diversen Onlinemedien kursierte seit längerem hartnäckig die Behauptung, wonach Geimpfte angeblich nie wieder eine volle Immunität erreichen würden und dauerhaft weniger Antikörper hätten. Dabei wird auf einen Bericht der britischen Gesundheitsbehörden verwiesen. Was steckt dahinter?

Beurteilung

Geimpfte bilden bei einer Corona-Infektion tatsächlich im Durchschnitt weniger Antikörper gegen ein spezifisches Protein. Dies ist jedoch kein Zeichen für eine verminderte Immunität. Gemäss dem Bericht der britischen Behörden sei dies auf den Impfschutz zurückzuführen, da bei Geimpften bereits einige Antikörper vorhanden seien und die Corona-Infektion mehrheitlich milder und kür-zer verlaufe.

Sachlage

Die Beiträge mit den Falschbehauptungen basieren auf dem Situationsbericht der britischen Ge-sundheitsbehörde UK Health Security Agency (UKHSA) zur Covid-Lage in der Kalenderwoche 42, also vom 18. bis 24. Oktober 2021. Darin wird unter anderem über die Häufigkeit von spezifischen Antikörper gegen Sars-CoV-2 im Blut berichtet. Diese Werte dienen als Nachweis für eine beste-hende oder bereits durchgemachte Infektion.

 

Die britische Gesundheitsbehörde unterscheidet in ihren Berichten zwei Antikörper-Arten: Die S-Antikörper werden durch einen Spike-Test nachgewiesen, N-Antikörper durch einen Nukleoprotein-Test.

 

Der Spike-Test dient dem Nachweis von Antikörper gegen Spike-Proteine im Blut. Über dieses Pro-tein kann das Sars-CoV-2-Virus sich an die menschliche Körperzelle andocken und diese infizieren. Die in der Schweiz zugelassenen mRNA-Impfstoffe und Vektorimpfstoffe liefern den Bauplan für Spike-Proteine und regen damit die natürliche Produktion von Antikörper an. Der Spike-Test kann also Antikörper gegen das Spike-Protein nachweisen, die entweder durch den Impfstoff induziert wurde oder wenn eine Person eine natürliche Infektion durchlitt.

 

Der Nukleoprotein-Test dient der Untersuchung von Antikörper gegen das Nukleokapsid-Protein der Coronaviren. Diese Antikörper werden nicht nach einer Impfung gebildet. N-Antikörper sind also nur in Personen, die eine Sars-CoV-2-Infektion erlitten, vorzufinden.

 

Folglich sind S-Antikörper verbreiteter, dies auch in Anbetracht, dass in Grossbritannien mehr als 80 Prozent der Bevölkerung doppelt geimpft ist. Bei einer Durchbruchsinfektion ist das Immunsystem von Geimpften bereits auf das Spike-Protein vorbereitet. Die britische Gesundheitsbehörde hielt auch in ihrem Bericht in der Kalenderwoche 51 an der Beobachtung fest, dass bei Patienten mit einer Durchbruchsinfektion den S-Antikörperspiegel signifikant erhöht sei.

 

Hingegen sei der N-Antikörperspiegel bei Geimpften, welche sich trotzdem mit dem Coronavirus infizieren, niedriger als bei Ungeimpften. Dies ist dem Lagebericht der britischen Behörden im Oktober zu entnehmen und wird im Bericht Ende Dezember wiederholt. Die Behörden erklären den niedrigen N-Antikörperspiegel bei Personen mit einer Durchbruchsinfektion, dass diese Patientengruppe eher einen milden und kürzeren Krankheitsverlauf erleidet als eine ungeimpfte Person.

 

Aufgrund des Impfstoffes, welches lediglich auf das Spike-Protein abzielt, ist das Immunsystem der Geimpften nicht gegen das Nukleokapsid-Protein vorbereitet. Geimpfte sowie Ungeimpfte regieren darauf und bilden N-Antikörper. Diese werden bei schweren Krankheitsverläufen aber vermehrt gebildet als bei milden. Folglich produziert das Immunsystem von ungeimpften Patientinnen und Patienten mehr Antikörper gegen das Nukleokapsid-Protein.

 


Fazit: Mehrere Onlinebeiträge schlussfolgern aus diesen Erkenntnissen fälschlicherweise, dass Geimpfte für Mutationen des Spike-Proteins bei einer Durchbruchsinfektion anfälliger seien. Dies begründen sie damit, dass geimpfte Menschen weniger Antikörper gegen das Nukleokapsid-Protein bilden. Doch gemäss der britischen Gesundheitsbehörde bilden Geimpfte lediglich weniger N-Antikörper, weil sie bei einer Durchbruchsinfektion mildere und kürzere Krankheitsverläufe erleiden.