19.01.2022 | Faktencheck

Massnahmenverschärfungen stehen nicht in Abhängigkeit zur Covid-Abstimmung

Mehr als 60 Prozent der Stimmbevölkerung sagten am 28. November 2021 Ja zu den Änderungen des Covid-Gesetzes vom März 2021. Kurz vor der Abstimmung stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die neu registrierte Virusvariante Omikron als besorgniserregend ein. Gleichzeitig stiegen seit Oktober hierzulande die Covid-19-Fälle. In Anbetracht der epidemiologischen Lage waren verschärfte Massnahmen nicht ausgeschlossen. Beflügelte das zweite Volks-Ja zum Covid-Gesetz Verschärfungen der Zertifikats- und Maskenpflicht erst recht? 


[Symbolbild] Bundesrat Alain Berset (links) und Bundespräsident Guy Parmelin am 30. November 2021 kurz vor Beginn einer Medienkonferenz in Bern zur aktuellen Situation im Zusammenhang mit Covid-19. Foto: Keystone-SDA / Peter Klaunzer
[Symbolbild] Bundesrat Alain Berset (links) und Bundespräsident Guy Parmelin am 30. November 2021 kurz vor Beginn einer Medienkonferenz in Bern zur aktuellen Situation im Zusammenhang mit Covid-19. Foto: Keystone-SDA / Peter Klaunzer
Behauptung

Zwei Tage nach dem zweiten Ja zum Covid-Gesetz suggerierte ein Facebook-User, Massnahmenverschärfungen wären bei einem Nein nicht zustande gekommen. Angefügt wurde ein Ausschnitt aus Newsmeldungen zur ausgeweiteten Zertifikats- und Maskenpflicht, die der Bundesrat am 30. November 2021 in Konsultation gab. «Dank eurem Ja hat der Bundesrat nun uneingeschränkte Macht bis ins Jahr 2031», schreibt der Facebook-User. Wäre bei einem Nein Massnahmenverschärfungen tatsächlich nicht zustande gekommen und würden die bis 2031 gültigen Gesetzesartikel eher verfallen?

Beurteilung

Die gemachten Behauptungen sind falsch. Die Zertifikats- und Maskenpflicht konnte der Bundesrat unabhängig vom Abstimmungsausgang erweitern. Die bis ins Jahr 2031 geltenden Gesetzesartikel sind bereits seit Dezember 2020 in Kraft und waren nicht Gegenstand der Volksabstimmung vom 28. November 2021. 
 

Sachlage

Werden vom Parlament beschlossene Gesetzesänderungen an der Urne abgelehnt, bleiben diese trotzdem ein Jahr lang in Kraft, wie es Artikel 165 Abschnitt 2 in der Bundesverfassung über die Gesetzgebung bei Dringlichkeit vorsieht. Also unabhängig vom Abstimmungsausgang konnte der Bundesrat Massnahmen zur Pandemie-Eindämmung ändern. Auch mit einem Volks-Nein im November hätte die Zertifikats- und Maskenpflicht ausgeweitet werden können. 

 

Die dem Facebook-Post beigefügten Passagen gaben die Bestimmungen wieder, die der Bundesrat am 30. November 2021 in die Konsultation gab. Er reagierte damit auf die seit Oktober stetig steigenden Fallzahlen sowie auf die bereits besorgniserregende Situation in den Spitälern. Diese Bestimmungen sollten vorerst ebenfalls bis zum 24. Januar 2022 befristet sein, genau wie die seit September gültige, ausgedehnte Zertifikatspflicht.

 

Massnahmen wie die Maskenpflicht basieren auf dem Epidemiengesetz (EpG) – ebenso die Zugangsbeschränkungen für geimpfte, genesene und getestete Personen. Wären die Gesetzesänderungen an der Urne abgelehnt worden, hätte der Bund theoretisch die 3G-Regel auch nach März 2022 beibehalten können - dann hätte er aber das aktuelle Zertifikatssystem aufgeben müssen. Mit dem Ja zu den Gesetzesänderungen vom März 2021 bleibt die rechtliche Basis des Covid-Zertifikates in Artikel 6a bestehen.

 

Das Covid-Gesetz bestimmt nicht, wie das Zertifikat eingesetzt werden soll. Dieses ist in der «Covid-19-Verordnung besondere Lage» ausgeführt, die auf dem Epidemiengesetz (EpG), Artikel 6, Absatz 2, Buchstabe a und b basiert. Demzufolge kann der Bundesrat nach Anhörung der Kantone Massnahmen für einzelne Personen und für die Gesamtbevölkerung anordnen. Verordnungen unterstehen nicht dem Referendum, folglich kann über die «Covid-19-Verordnung besondere Lage» nicht an der Urne entschieden werden. Verordnungen sind rechtlich verbindlich.

 

Bei der Abstimmung am 28. November 2021 kamen die Gesetzesänderungen vom März 2021 an die Urne. Keiner der davon betroffenen Artikel hatte eine Geltungsdauer bis 2031. Diese waren bereits seit dem 19. Dezember 2020 in Kraft; dagegen wurde kein Referendum ergriffen. Ältere Paragrafen blieben entsprechend unabhängig vom Abstimmungsresultat bestehen. Dies wurde bereits in einem früheren Faktencheck detaillierter erläutert.