21.09.2022 | Faktencheck

Vom Recycling von Windenergieanlagen

Der Krieg in der Ukraine zeigt deutlich unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und damit auch die Bedeutung von Staaten, die darüber verfügen. Angesichts der bereits gedrosselten Erdgaslieferungen von Russland nach Europa, wird die Energiewende umso dringlicher. Der Einsatz von erneuerbaren Energien wird forciert. Doch sind all diese Energiequellen wirklich so nachhaltig, wie deren Befürworter sie propagieren?  


Windturbinen am höchstgelegenen Windpark in Europa neben dem Griessee, einem Speichersee in der Nähe des Nufenenpasses. Die vier Windturbinen der SwissWinds GmbH wurden am 30. September 2016 eingeweiht. Foto: Keystone-SDA / Sedrik Nemeth
Windturbinen am höchstgelegenen Windpark in Europa neben dem Griessee, einem Speichersee in der Nähe des Nufenenpasses. Die vier Windturbinen der SwissWinds GmbH wurden am 30. September 2016 eingeweiht. Foto: Keystone-SDA / Sedrik Nemeth
Behauptung

In den sozialen Medien wird mehrfach behauptet, dass Windenergieanlagen angeblich nicht zu recyceln seien. Auf dem Foto dazu werden am Boden liegende Rotorblätter gezeigt, die mit Erde bedeckt werden. «So funktioniert grüne Energie! Sand darüber», wird dasselbe Foto auch von anderen Usern kommentiert

Beurteilung

Das Bild stammt aus den USA, wo ausgemusterte Rotorblätter anderen Entsorgungsvorschriften unterliegen als in der Schweiz. Hierzulande werden sie nicht vergraben. Rotorblätter können in speziellen Anlagen verbrannt werden, die verbleibende Asche wird anschliessend in der Zementherstellung wiederverwendet.

Sachlage

Das Bild ist in der Bilddatenbank Getty Image zu finden. Wie die Bildlegende beschreibt, befindet sich der Windturbinen-Friedhof in Wyoming in den USA. Dort werden tatsächlich Rotorblätter von ausgedienten Windkraftanlagen in Deponien vergraben.


Der amerikanische Verband für erneuerbare Energie zitiert im Jahr 2020 die Managerin einer Mülldeponie in Casper, Wyoming, wonach diese sagt, dass die Rotorblätter die unproblematischsten Abfälle darstellen, die diese Deponie überhaupt entgegennehmen würde. Gemäss dem Nachrichtenportal Bloomberg gibt es in den USA mehrere solche Deponien.


Das Recycling von Windkraftanlagen ist zu 80 bis 90 Prozent möglich, das betrifft vor allem Stahl und Beton. Der recycelte Beton findet unter anderem im Strassenbau Verwendung, die Stahlsegmente gehen zurück in die Stahlwerke.


Mit den restlichen Elementen wird nicht in allen Ländern gleich verfahren: Während sie in den USA auf speziellen Deponien entsorgt werden, verbieten einige EU-Länder diese Handhabung. So auch die Schweiz.


Gemäss Artikel 10 der Abfallverordnung (VVEA) besteht in der Schweiz die Pflicht zur thermischen Behandlung, sofern Abfälle brennbar sind und stofflich nicht anderweitig verwendet werden können. «Da Kunststoffe brennbar sind, ist nach Art. 10 VVEA die Deponierung von ausgemusterten Rotorblätter in der Schweiz verboten», schreibt Robin Poëll vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) auf Anfrage von Keystone-SDA.


Doch die Verbrennung von Rotorblättern ist aufgrund deren Zusammensetzung aus Glasfaserkunststoffen, Kohlefasern und anderen Kunststoffen schwierig. Sie werden daher in speziellen Anlagen thermisch behandelt. Die verbleibende Asche findet anschliessend in der Zementindustrie Verwendung.


In der Schweiz gibt es aber keine derartige Aufbereitungsanlage, sagt Tim Voegelin von Iwas gegenüber Keystone-SDA. Er forscht unter anderem an Recyclingmethoden von glasfaserverstärkten Duromeren, welche in den Rotorblättern vorkommen. Eine derartige Anlage wäre für die hierzulande anfallende Menge von Rotorblättern nicht rentabel.


Hierzulande ausgemusterte Windkraftanlagen werden daher ins Ausland gebracht. «Die bisher in der Schweiz ausser Betrieb genommenen Windenergieanlagen wurden komplett verkauft», schreibt Marianne Zünd vom Bundesamt für Energie BFE auf Anfrage von Keystone-SDA. Sie geht davon aus, dass sie im Ausland weiterbetrieben werden.


Ähnliche Deponieverbote wie in der Schweiz gibt es unter anderem in Österreich, Finnland, Deutschland und den Niederlanden. Der europäische Verband für Windenergie WindEurope fordert bis 2025 ein europaweites Deponieverbot für ausgemusterte Rotorblätter.


In den USA hingegen werden ausgemusterte Rotorblätter weiterhin auf Deponien vergraben. So vermutet das Electric Power Research Institute (EPRI) im Jahr 2020, dass bis 2050 etwa vier Millionen Tonnen Windturbinenblätter auf US-Mülldeponien entsorgt werden könnten. Daher suchen Forschungsinstitute in aller Welt nach neuen Recyclingverfahren, so auch in der Schweiz. Zudem wird an abfallfreien Windturbinen und recycelbaren Windturbinenblätter gearbeitet. Die Branche setzt dadurch auf Nachhaltigkeit und engagiert sich für die Kreislaufwirtschaft. Unternehmen wiederum erkunden Geschäftstätigkeiten, welche Rotorblätter oder Teile davon anderweitig zur Herstellung von Produkte verwendet werden können wie zum Beispiel Bauplatten, Paletten oder Spanplatten. Auch in Kunstprojekten sollen veraltete Rotorblätter Verwendung finden.