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null Grenzüberschreitend verwendbare Impfpässe für EU-Bürger sind schon seit Jahren in Planung

04.08.2021 | Faktencheck

Grenzüberschreitend verwendbare Impfpässe für EU-Bürger sind schon seit Jahren in Planung

Um den freien Personenverkehr innerhalb der Europäischen Union (EU) zu Pandemiezeiten zu erleichtern, wurde die Verordnung über das digitale Covid-Zertifikat der EU in Kraft gesetzt. Das Dokument belegt eine vollständige Covid-Impfung, eine Genesung oder ein negatives Testergebnis. War dieser Vorstoss zur Eindämmung der Pandemie schon vor deren Ausbruch in Planung? 


[Symbolbild] Der internationale Impfausweis ist schon heute ein wichtiges Reisedokument, aufgenommen am 7. Juni 2017, in Berlin, Deutschland. Die Europäischen Union (EU) debattiert seit Längerem über eine einheitliche Dokumentation der Impfungen. Foto: Keystone-SDA / DPA / Sophia Kembowski
[Symbolbild] Der internationale Impfausweis ist schon heute ein wichtiges Reisedokument, aufgenommen am 7. Juni 2017, in Berlin, Deutschland. Die Europäischen Union (EU) debattiert seit Längerem über eine einheitliche Dokumentation der Impfungen. Foto: Keystone-SDA / DPA / Sophia Kembowski
Behauptung

Die EU habe «bereits 20 Monate vor dem Corona-Ausbruch» die Einführung von Impfpässen für die EU-Mitgliederstaaten ausgearbeitet. So lautet eine in den sozialen Medien kursierende Behauptung. Die Vorschläge dafür seien angeblich «gut versteckt in einem Dokument, das die Mainstream-Medien nicht publik machten». Dies sei «ein weiterer Beweis», – wofür, bleibt offen. Dazu werden der Screenshot einer Artikelüberschrift und ein Link zu einem EU-Dokument verbreitet. 

Beurteilung

Die EU debattiert schon länger über einen grenzüberschreitenden Impfpass. Darüber hatten auch zahlreiche Medien berichtet. Die Planung läuft allerdings nicht erst seit 2018, sondern mindestens seit 2012. Dabei handelt es sich um eine einheitliche Dokumentation der erhaltenen Impfungen, sodass diese von medizinischem Fachpersonal in den anderen EU-Staaten lückenlos nachvollzogen und begonnene Impfungen fortgeführt werden können. Es handelt sich nicht um das digitale grüne Zertifikat, welches ausschliesslich über Sars-CoV-2-Testergebnisse, -impfungen oder -infektionen Auskunft gibt und den freien Personenverkehr zwischen den EU-Mitgliederstaaten zu Zeiten der Pandemie vereinfacht. 

Sachlage

Der Facebook-Post verweist auf ein Dokument der EU-Kommission vom 26. April 2018. Dabei handelt es sich um Vorschläge für eine engere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten gegen durch Impfungen vermeidbare Krankheiten. Im Gebiet der EU haben Fälle von Masern zugenommen. Dagegen gäbe es eine gut erforschte Impfung. Allerdings lassen sich offenbar immer weniger Menschen impfen. 

 

Die Planung, Organisation und Durchführung von Impfkampagnen verlaufen in den einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedlich. Folglich kann die Dokumentation der erhaltenen Impfungen insbesondere beim Übertritt in einen anderen EU-Staat zu Problemen führen. Neben den sprachlichen Problemen kann auch die geimpfte Dosis teilweise schlecht rückverfolgt werden. Der Europäischen Impfpass soll die Dokumentation und die Kommunikation über erhaltene Impfungen vereinheitlichen, sodass diese auch von Gesundheitseinrichtungen anderer EU-Staaten nachvollzogen werden können. Über den Kommissionsvorschlag berichtete unter anderem das deutsche «Ärzteblatt».

 

Die Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) empfahl bereits im Jahre 2012 einen standardisierten Impfpass. Es geht hier also um langfristige Strategien. Einem Zeitplan der Europäischen Kommission zufolge will sie im Jahr 2022 einen EU-weit geltenden Impfpass vorstellen.

 

Unabhängig davon unterbreitete die EU-Kommission am 17. März 2021 einen Vorschlag für ein digitales grünes Zertifikat. Dieses weist eine erhaltene Covid-19-Impfung, ein negatives Testergebnis oder die Genesung nach einer Sars-CoV-2-Infektion nach. Damit soll insbesondere die Freizügigkeit innerhalb der EU während der Corona-Pandemie erleichtern. Die Verordnung ist seit dem 1. Juli 2021 in Kraft. Den Einsatz des «EU Digital Covid Certificate» regelt jeder EU-Staat selbst. So haben in Frankreich ab dem 1. August nur Personen mit einem gültigen Zertifikat Zutritt zu Restaurants, Kultureinrichtungen und Grossveranstaltungen, aber auch zu Einkaufszentren und dem öffentliche Langstreckenverkehr.

 

Die EU bot der Schweiz an, ebenfalls am digitalen grünen Covid-Zertifikat mitzumachen. Die Schweizer Behörden entschieden sich jedoch für eine eigene Lösung, die international kompatibel sei. Am 4. Juni 2021 verabschiedete der Bundesrat die Verordnung über das Covid-Zertifikat, welches die rechtliche Grundlage dafür bildet. Die ersten Zertifikate wurden ab dem 7. Juni ausgestellt. Die EU anerkannte das Schweizer Covid-Dokument offiziell Anfang Juli.  

 

Fazit: Ein im EU-Raum gültiger Impfpass ist schon länger in Diskussion, um die Dokumentation und Kommunikation von erhaltenen Impfungen beim Personenverkehr innerhalb der EU zu vereinheitlichen. Dieses medizinische Dokument hat aber nichts mit dem «EU Digital Covid Certificate» zu tun, welches zu Zeiten der Pandemie lediglich den freien Personenverkehr zwischen den Staaten erleichtert. Jedes Land regelt selbst, wann das Covid-Zertifikates vorgewiesen werden muss.

Quellen

Facebook-Post: 

https://www.facebook.com/andy.brunner.39/posts/10159157132711665

(archiviert: https://archive.ph/BkXpI)

 

Artikel Uncut News: 

https://uncutnews.ch/zufall-europaeische-plaene-fuer-impfpaesse-gab-es-schon-20-monate-vor-der-pandemie/

(archiviert: http://dpaq.de/fNnuX)

 

Ärzteblatt: Bericht über die Pläne der EU-Kommission (26. April 2018): 

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/94787/EU-Kommission-will-sich-fuer-hoehere-Impfquoten-in-Europa-einsetzen 

(archiviert: https://archive.ph/U4Ol1)

 

Europäische Kommission: Vorschlag zum grenzüberschreitenden Impfausweis: 

https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2018/EN/COM-2018-244-F1-EN-MAIN-PART-1.PDF

(archiviert: http://dpaq.de/vOfLQ)

 

Europäische Kommission: Pressemitteilung zum ersten globalen Impfgipfel vom 12.09.2019: 

https://ec.europa.eu/germany/news/20190912-eu-who-erster-globaler-impfgipfel_de

(archiviert: https://archive.ph/PI95m)

 

Europäische Kommission: Fahrplan für die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten: 

https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/vaccination/docs/2019-2022_roadmap_en.pdf

(archiviert: http://dpaq.de/Nty77)

 

Europäische Kommission: Vorschlag zum digitalen grünen Zertifikat (17.3.2021): 

https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_21_1181

(archiviert: https://archive.ph/6hgsP)

 

Europäische Kommission: Digitales Covid-Zertifikat: 

https://ec.europa.eu/info/live-work-travel-eu/coronavirus-response/safe-covid-19-vaccines-europeans/eu-digital-covid-certificate_de

(archiviert: https://archive.ph/MmfZj

 

Französische Behörde: Einsatz des Covid-Zertifikates, 13.07.2021: 

https://www.gouvernement.fr/vaccination-et-pass-sanitaire-ce-qui-change

(archiviert: https://archive.ph/jPdXS

 

Artikel von Keystone-SDA vom 17.03.2021 in der Berichterstattung von SRF: 

https://www.srf.ch/news/international/reisefreiheit-mit-impfpass-eu-stellt-den-impfausweis-vor-und-will-die-schweiz-dabei-haben

(archiviert: http://dpaq.de/9P3n0)

 

BAG: FAQ Covid-Zertifikat: 

https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/mt/k-und-i/aktuelle-ausbrueche-pandemien/2019-nCoV/faq-covid-19-zertifikat.pdf.download.pdf/FAQ%20Covid-Zertifikat.pdf

(archiviert: https://archive.ph/9kWZl

 

BAG: EU anerkennt Schweizer Covid-Zertifikat, 09.07.2021: 

https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-84383.html

(archiviert: https://archive.ph/G9kdw

 

Bundesrat: Medienmitteilung zur Verordnung über das Covid-Zertifikat, 04.06.2021: 

https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-83837.html

(archiviert: https://archive.ph/2PMM1

 

 

 

 

Kontakt Faktencheck-Team: factchecking@keystone-sda.ch