Wettlauf um den Schutz des kulturellen Erbes im grössten Kunstmuseum der Ukraine
Wettlauf um den Schutz des kulturellen Erbes im grössten Kunstmuseum der Ukraine
Lemberg, Ukraine, 6. März 2022 (AP) - Der Direktor des grössten ukrainischen Kunstmuseums ging durch die Gänge und überwachte, wie die Mitarbeiter ihre Sammlungen einpackten, um ihr nationales Erbe zu schützen, falls die russische Invasion nach Westen vordringt.

In einer teilweise leeren Galerie des Andrey Sheptytsky Nationalmuseums legten die Mitarbeiter sorgfältig verpackte Barockstücke in Pappkartons. Ein paar Meter weiter ging eine Gruppe die majestätische Haupttreppe hinunter und trug ein riesiges Stück sakraler Kunst, die Bohorodchany-Ikonostase aus dem 18.Jahrhundert.
«Manchmal kommen mir die Tränen, weil hier viel Arbeit hineingesteckt wurde. Das kostet Zeit und Energie. Wenn man etwas Gutes tut, freut man sich. Heute sieht man leere Wände, und das ist bitter und traurig. Wir haben bis zur letzten Minute nicht daran geglaubt, dass dies passieren könnte", sagte der Generaldirektor des Museums, Ihor Kozhan.


Die Türen des Museums in der westlichen Stadt Lemberg sind seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 geschlossen, und im ganzen Land sind historische Stätten durch die anhaltenden Kämpfe in Gefahr. Korzhan sagte, dass er täglich Anrufe von anderen europäischen Kultureinrichtungen erhält, die ihre Hilfe anbieten, während er und seine Mitarbeiter um den Erhalt der Werke des Museums kämpfen.
Anna Naurobska, die Leiterin der Abteilung für seltene Manuskripte und Bücher, sagte, sie wisse immer noch nicht, wo sie die Sammlung von mehr als 12’000 Objekten, die in Kisten verpackt werden, sicher unterbringen könne.
Der Umzug und die Befürchtung, dass die Sammlung im Falle eines Angriffs auf die Stadt in Gefahr ist, überfordern sie.
«Das ist unsere Geschichte, das ist unser Leben. Sie ist sehr wichtig für uns.», sagte Naurobska.


Sie ging in einen anderen Raum und hielt einen dicken Wälzer in die Höhe, wobei sich Tränen in ihren Augen bildeten. «Es ist ein russisches Buch», sagte sie und stellte es zurück ins Regal. «Ich bin so wütend.»
Wie das Museum bemühen sich auch andere Einrichtungen in Lemberg, künstlerisch oder kulturell wertvolle Werke zu schützen. Die Vitrinen im Museum für Religionsgeschichte sind fast leer. Arbeiter montieren im Innenhof Metallcontainer, um die verbleibenden Gegenstände sicher zu lagern, bevor sie in den Keller gebracht werden. In der Lateinischen Kathedrale wurden die Skulpturen mit Pappe, Schaumstoff und Plastik bedeckt, um sie vor möglichen Granatsplittern zu schützen.

Inmitten der kahlen Wände und verhüllten Statuen klagte Kozhan über das leere Museum, das zwei Weltkriege überlebt hat.
«Das Museum muss leben. Die Menschen müssen dort sein, vor allem die Kinder. Sie müssen die Grundlagen ihrer Kultur lernen.», sagte er.





Für Fragen stehen Ihnen Marianne Mischler, Chefredaktion Visuell, marianne.mischler@keystone-sda.ch, und unser Sales-Team, sales@keystone-sda.ch, +41 58 909 52 00, gerne zur Verfügung.